Johannes Neuhäusler

 


Geboren am 27. Januar 1888 in Eisenhofen, Bezirksamt Dachau, gestorben am 14. Dezember 1973 in München.

Der Einsatz für seine Kirche bringt ihm im Dritten Reich Verfolgung und KZ-Haft und in der Nachkriegszeit Anerkennung und Ehre.


In Eisenhofen. am Fuße des Petersberges. verlebt Johannes Neuhäusler als Sohn der Bauersleute Magdalena und Georg Neuhäusler im Kreise seiner acht Geschwister eine glückliche Kindheit. Die Eltern, welche neben der Landwirtschaft auch noch einen Kaufladen und ein Getreidegeschäft besitzen, erziehen ihre Kinder von klein auf zur Arbeit. Zu ihrer Freude nutzt Johannes von sich aus jede Gelegenheit, um sich nützlich zu machen Sein größtes Glück ist es, wenn er den Getreidetransport nach München begleiten darf. »Allwöchentlich am Freitag, bald nach Mitternacht«, so schreibt er in seinen Erinnerungen, »fuhr dann ein vierspanniges Pferdefuhrwerk (ein Blahewagen ) mit Hafer für Lohnkutschereien in der Türkenstraße (...) nach München. Etwa 9 Stunden hin und ebenso viel zurück. Und da durfte ich auch ein paarmal mitfahren. Die Überraschung begann schon am Burgfrieden', an der Grenze der Stadt München: Da mußte am Schalter eines Hauses angegeben werden, wie viele Zentner geladen waren. und dafür mußte dann Pflasterzoll' bezahlt werden. Dann ging es durch die Straßen der Stadt, für den Bub vom Land wie ein Weltwunder.«

Eifrig besucht er vier Jahre lang die Volksschule im ehemaligen fürstbischöflichen Schloß Hof bei Eisenhofen. Dort sitzt er mit mehr als 100 Kindern in einem Schulraum, wo der Lehrer sieben Klassen zusammen Unterricht erteilen muß. »Aber dies hatte auch mancherlei Vorteile«, schreibt Neuhäusler, »ich hörte da in den ersten Schuljahren schon viel, was in den höheren Klassen gelehrt wurde.« Bereits als Elfjähriger spürt er, daß er zum Priester berufen ist Die Eltern stellen sich diesem Wunsch nicht in den Weg und schicken ihn im Jahre 1899 ins Erzbischöfliche Seminar Scheyern. »Die Prüfung«, berichtet er später als Weihbischof, »war mitten in der Erntezeit, so hatte niemand von zu Hause Zeit mich zu begleiten: so mußte ich allein Gang und Fahrt - die erste Eisenbahnfahrt meines Lebens - nach Pfaffenhofen an der llm machen, um dann von dort von einem Onkel. auf dem Antritt seines Fahrrades stehend, nach Scheyern befördert zu werden.« Die folgenden fünf Jahre bewährt er sich in Scheyern als fleißiger Schüler, und auch im Gymnasium in Freising, wo er seine Schulausbildung fortsetzt, fällt er bald schon durch gute Leistungen auf. Im Jahre 1909 besteht Neuhäusler die Aufnahmeprüfung für das »Georgianum« und kommt als Student der Theologie an die Universität München. Am 29. Juni 1913 weiht ihn Kardinal Bettinger im Freisinger Dom zum Priester.

Seelsorger in schwerer Zeit

Seine erste Seelsorgestelle erhält Neuhäusler als Kaplan in Oberaudorf am Inn. In der gebirgigen, ausgedehnten Pfarrei mit ihren weitentlegenen Filialen, den drei Schulen und vielen katholischen Vereinen kommt auf den jungen, einsatzfreudigen Geistlichen reichliche Arbeit zu. Erstmals wird er dort aber auch mit den Wirren der Zeit konfrontiert. Darüber berichtet er: »Freilich schon nach einem Jahr fiel der Schatten des Krieges auch schwer über den schönen Gebirgsort, mußte ich vielen Soldaten den Abschiedssegen geben fürs Feld, mußte ich nach und nach in viele Häuser gehen, um den Kriegertod eines Familienmitgliedes zu melden, mußte ich viele Trauergottesdienste für Gefallene halten, auch für einzelne Gebirgssoldaten, die nach Oberaudorf zur Übung gekommen waren und dabei verunglückten«.

Im Januar 1917 erhält Neuhäusler seine Berufung als Zweiter Präses in das Münchner Zentralgesellenhaus, wo er die etwa 800 Mitglieder zählende Kolpingsfamilie nicht nur mit geistlichem Zuspruch betreut, sondern ihr auch die nötigen Lebensmittel beschafft. Sein Versprechen »Ich will arbeiten«, das er in seiner Antrittsrede gegeben hat, löst er aufopfernd ein. Als Ergänzung zur Vereinsarbeit wirkt er außerdem noch als Präses der Jungmänner- Kongregation an der Damenstiftskirche und als Kaplan der Männerkongregation im Bürgersaal. Als Dreißigjähriger übernimmt er 1918 die Aufgabe des Generalsekretärs im Ludwig- Missionsverein. Mit Weitblick und Tatkraft gelingt es ihm, die bayerische Hilfe für die Weltmission neu zu beleben. Zu diesem Zweck baut er auch die Zeitschrift »Weltmission der katholischen Kirche« auf. Die Unruhen der Räterepublik auf den Straßen Münchens entgehen dem Geistlichen dabei keineswegs. »Im Gesellenhaus«, erinnert er sich, »erlebte ich dann auch Kurt Eisners Revolution und die ,Spartakistenzeit' mit einer ersten Bekanntschaft mit der Polizei, da ich den Lobsprüchen, die ein Straßenredner der neuen Zeit und neuen Regierung widmete, widersprach. Dafür wurde ich in die Ettstraße geführt, nach Waffen untersucht usw.«

Aufbau des »Bayerischen Pilgerbüros«

Kirchliche Ereignisse ziehen Neuhäusler indes noch mehr in ihren Bann als das Weltgeschehen um ihn herum. Im Jahre 1925 kommt eine ganz neue Arbeit auf ihn zu: die Gründung und Leitung des »Bayerischen Pilgerbüros«. Der Eisenhofener Bauernsohn leistet wieder einmal vorbildliche Arbeit und wird als Anerkennung zum »Päpstlichen Ehrenkämmerer« ernannt. Ein Jahr später, im Sommer 1926, darf er seinen Vorgesetzten, Michael Kardinal Faulhaber, zum Eucharistischen Kongreß nach Chicago begleiten. In der folgenden Zeit baut der unermüdliche Arbeiter das Exerzitienhaus Fürstenried aus und begründet dort das Spätberufenenseminar. 1932 holt Faulhaber seinen bewährten Mann ins Domkapitel, wo er sich den Aufgabengebieten »Soziale Vereine, Presse und Rundfunk, Katholische Aktion und Exerzitienbewegung« widmen soll.

Konflikte mit den Nationalsozialisten

Doch dann kommt alles anders: Der Kardinal erkennt 1933 die Gefahr, die von den Nationalsozialisten ausgeht. In der ersten Ordinariatssitzung nach der »Machtergreifung« beauftragt er Neuhäusler, die NS-Bewegung auf allen Gebieten sorgfältig zu beobachten, Nachrichten und Erfahrungen zu sammeln und Proteste gegen Übergriffe der Nationalsozialisten einzulegen. »Wußte ich damals auch noch nicht, was diese Aufgabe an Schwierigkeiten und Gefährdung für Freiheit und Leben bringen werde, eine Ahnung davon stieg schon in mir auf; doch ich gehorchte«, schreibt er in seinen Erinnerungen. Was es bedeutet, sich mit den Nationalsozialisten anzulegen, erfährt er bald. »Ein erstes Donnergrollen, ein erster Blitz- und Hagelschlag kam dann schon nach ein paar Monaten mit vielerlei Repressalien gegen den in der Pfingstwoche angesetzten 'Internationalen katholischen Gesellentag' in München, der schon am Samstag abend ein jähes Ende nahm: Ungezählte Teilnehmer aus aller Welt wurden von SS-Leuten geschlagen; das Kolpingsabzeichen ward ihnen abgerissen, das orangefarbene Hemd ausgezogen; die Kolpingsfahne wurde vom Zentralgesellenhaus heruntergerissen usw. Da wurde Münchens Name in der ganzen Welt in den Kot gezogen. Vergeblich war meine Vorsprache an höchsten Stellen - ich besitze noch Protokolle darüber -, niemand wollte letzten Endes für die Ausschreitungen und Rechtsverletzungen verantwortlich sein.«

Die Hoffnung des Papstes Pius Xl. in Rom, die Nationalsozialisten durch das am 20. Juli 1933 abgeschlossene Reichskonkordat bändigen zu können, erweist sich als trügerisch. Immer massiver wird die katholische Kirche im Deutschen Reich bedrängt. Sie kann sich aber zu einem eindeutigen Widerstand nicht aufraffen. Von ihr kommt kein Wort gegen die Errichtung der Konzentrationslager, gegen die Entfesselung des Zweiten Weltkrieges und gegen die Vernichtung der Juden und der Sinti und Roma. Statt dessen schickt sie Leute wie Neuhäusler vor, die in Einzelfällen kirchliche Interessen zu vertreten haben. So wird die Aufgabe des Domkapitulars von Tag zu Tag gefährlicher. Unbeirrt legt er dennoch weiterhin gegen die Übergriffe der braunen Machthaber Proteste ein, spricht er persönlich vor im Polizeipräsidium, bei der Geheimen Staatspolizei, bei der bayerischen Staatsregierung, beim Vizekanzler von Papen sowie beim Reichsminister Kerle vom Kirchenministerium. Zudem sammelt er heimlich Material, das er über Boten dem Vatikan zukommen läßt. Einer seiner Helfer bei dieser Aufgabe ist der spätere Gründer der CSU, Dr. Josef Müller. Wie brisant der Domkapitular seine Arbeit selbst einschätzt, wird deutlich anhand einer Schilderung, die Prälat Anton Maier im Jahre 1973 über jene Zeit verfaßt hat. Dort heißt es: »Im Laufe der Besprechung bückt sich Neuhäusler, zieht den Teppich weg und holt aus einer Ritze des Fußbodens Dokumente hervor, die sein und seiner Freunde Wirken gegen den Nationalsozialismus sichtbar werden lassen.«

In den Händen der Gestapo

Da die Tagespresse in Bayern gleichgeschaltet ist, versucht Neuhäusler mit der ihm eigenen Hartnäckigkeit, die »Münchner Katholische Kirchenzeitung« zu einem Gegengewicht gegen die NS-Propaganda aufzubauen. Eindringlich schwört er die Dekane der Erzdiözese und die Münchner Stadtpfarrer auf das Projekt ein. Die Diskussion eröffnet Prälat Böhmer mit der kurzen Erklärung: »Ich glaube, es ist das Beste, wir nehmen die Vorschläge des Herrn Domkapitulars an; denn 1. sind sie sehr vernünftig, 2. kennen wir Neuhäusler alle so gut, daß wir wissen: Er gibt doch nicht nach, bis wir nachgeben; also ist es das Beste, wir geben gleich nach.« Als Neuhäusler 1934 bei einer Versammlung im Erzbischöflichen Ordinariat auch die katholischen Vereine Münchens zur regen Mitarbeit bei der Aktion »Kirchenzeitung« gewinnen will, erscheint die Polizei, erklärt die Veranstaltung für nicht genehmigt und verhaftet den Domkapitular. Die Nacht muß er im Polizeigefängnis in der Ettstraße verbringen und wird am nächsten Tag wieder entlassen. Am 4. Februar 1941 holt die Polizei Neuhäusler erneut ab. Angeblich hat man beim Einmarsch in Holland im Katholischen Pressebüro von Breda belastendes Material gefunden, in dem sein Name erwähnt ist.

»Den wahren Grund meiner Verhaftung verrät die Gestapo erst Jahre später meinem Neffen Fritz Göttler: 'Wir wollten Ihren Onkel kaltstellen.' Ob auch kaltmachen? Anfangs sah alles danach aus«, schreibt er viele Jahre später. Zwei Beamte bringen ihn ins Wittelsbacher- Palais in der Brienner Straße, wo die Geheime Staatspolizei ihren Sitz hat. »Ein unheimliches Gefühl beschlich mich«, erinnert sich Neuhäusler, »als die Zelle von außen verschlossen wurde. Wer etwas Ähnliches nicht mitgemacht hat, wird es sich nicht vorstellen können: Wehrlos, rechtlos, der Gewalt ausgeliefert zu sein. Nicht zu wissen, wann und wozu die Türe sich wieder öffnen wird. In die Freiheit oder in den Tod?« Zehn Tage später, am 14. Februar, wird ihm erklärt: »Sie kommen nach Berlin - noch heute nacht.« 90 Tage verbringt er im berüchtigten Gefängnis am Alexanderplatz in Einzelhaft bei spärlicher Verpflegung. Kraft für die Verhöre schöpft er aus den Exerzitien, die er jeden Tag in strenger Selbstdisziplin wiederholt. Eines Tages macht er seinem Herrgott ein Angebot: »Wenn du mich gleich dem heiligen Petrus und durch die Fürbitte des heiligen Petrus aus dem Gefängnis befreist und die Heimat wiedersehen läßt, dann will ich die Peterskirche meiner Heimat (auf dem Petersberg bei Eisenhofen, d. Verf.) würdig instandsetzen und wieder zu einem religiösen Zentrum für den Glonngau machen.«

Mißhandlung durch die SS

Doch die Prüfungen nehmen noch kein Ende. Nach drei Monaten Haft im Polizeigefängnis wird er eines Morgens um drei Uhr geweckt. Neuhäusler weiß intuitiv, daß er jetzt ins KZ kommt. Am Bahnsteig von Sachsenhausen bei Oranienburg bestätigt sich seine Ahnung. »Dort warteten SS-Leute auf uns«, heißt es in seinen Erinnerungen. »Einer von ihnen begrüßte mich sofort mit einer Ohrfeige, weil ich, um mein Gepäck tragen zu können, den Hut aufgesetzt hatte. Von Befehlen und Püffen der SS begleitet, kletterten wir in aller Hast auf die bereitstehenden Lastwagen.« Es sind nicht die letzten Mißhandlungen, die der Münchner Domkapitular über sich ergehen lassen muß. Im Laufschritt wird er mit seinen Kameraden zwischen den Baracken hin- und hergetrieben. Einmal stellt ihm ein SS- Mann ein Bein, so daß er stürzt und sich beide Hände verletzt. Ein anderes Mal wird er mit Faustschlägen ins Gesicht übel malträtiert. Mehr noch als diese Hiebe erschüttern ihn die Grausamkeiten an anderen Häftlingen, die er im KZ täglich vor Augen hat.

Häftling im Konzentrationslager Dachau

Da nimmt sein Leben eine unvorhergesehene Wendung. Zwei Monate nach seiner Einlieferung in Sachsenhausen überbringt ihm am 12. Juli 1941 ein Lagerläufer plötzlich den Befehl: »Gefangener Neuhäusler sofort zum Jourhaus!« Zu seiner großen Überraschung wird er gemeinsam mit dem Schriftleiter der »Münchner Katholischen Kirchenzeitung«, Dr. Michael Höck, und mit dem evangelischen Pastor Martin Niemöller, Vorkämpfer der »Bekennenden Kirche«, im Auto nach Dachau gebracht. Nachmittags gegen 16 Uhr stehen sie vor dem Tor des Konzentrationslagers. »Willkommen in Dachau!« verhöhnt sie ein Wachmann. Die Gestapo glaubt dem Gerücht, Niemöller wolle zum Katholizismus konvertieren. Deshalb will sie ihn mit hohen katholischen Würdenträgern umgeben, um seinen Sinneswandel zu beschleunigen und damit dem evangelischen Widerstand die Symbolfigur zu nehmen. Als sogenannte Sonderhäftlinge werden die Geistlichen, getrennt von den anderen KZ-lnsassen, in Einzelzellen des Bunkers untergebracht. Sie genießen etliche Vergünstigungen: Ihre Verpflegung ist erheblich besser, die Türen ihrer Zellen sind nicht verschlossen, so daß sie sich jederzeit besuchen können, und von Zeit zu Zeit dürfen sie auch ins Freie gehen, um Luft zu schöpfen. Der Plan geht jedoch nicht auf - Niemöller bleibt standhaft Protestant. Statt dessen praktizieren die Geistlichen der beiden Konfessionen sogar gemeinsam die Ökumene.

Am Abend des 24. April 1945 wird Neuhäusler zusammen mit anderen Sonderhäftlingen, darunter auch General Halder, General Thomas, Pastor Niemöller und der frühere ungarische Ministerpräsident Kallay, auf Umwegen nach Südtirol gebracht. Der Irrweg endet im Hotel »Pragser Wildsee«. »Nach zwei Tagen kamen weitere 'Sonderhäftlinge' aus Dachau, darunter auch der ehemalige österreichische Bundeskanzler Schuschnigg mit Frau und Kind, Prinz Wilhelm von Preußen u.a. Insgesamt waren wir 136 Personen«, berichtet Neuhäusler später. Einigen seiner Mitgefangenen gelingt es, telephonisch Verbindung mit der deutschen »Heeresleitung Süd« zu bekommen und diese um Schutz zu bitten. Im Einverständnis mit SS-General Wolff, der in diesen Tagen an der italienischen Front einen Separatwaffenstillstand abgeschlossen hat, schickt General Vietinghof während der Nacht Wehrmachtssoldaten, welche die bedrohten Prominenten unter ihre Obhut nehmen. Dann endlich kommen die Amerikaner. Neuhäusler und seine Mitgefangenen sind frei. Nach kurzem Aufenthalt in Neapel und auf Capri wird er nach Rom zum Heiligen Vater gebracht, der ihn eindringlich bittet, den Widerstand der deutschen Katholiken darzustellen.

Heimkehr nach München

Am 16. Juni 1945 landet der Domkapitular mit einem Flugzeug in München. Sofort stürzt er sich wieder in die Arbeit. Er eröffnet, wie Prälat Höck schreibt, in München das »erste Volksbüro«. Es hat die Aufgabe, Bittsuchende bei Problemen, von Renten- bis zu Wohnungsfragen, zu beraten und Hinweise zu geben, wo und bei wem Hilfe zu finden ist. Neuhäuslers Fleiß kennt keine Grenzen. Laut Höck war ihm am wohlsten, »wenn die beiden Telefone auf seinem Schreibtisch gleichzeitig klingelten, wenn im Vorzimmer wenigstens fünf Leute warteten, um ihm ihre Anliegen vorzutragen«. Auch ehemaligen Nationalsozialisten, die sich an ihn wenden, versagt er die Hilfe nicht. Sogar für SS-Männer erhebt er während der Dachauer Prozesse laut seine Stimme und bittet für sie um Gnade. Er will, wie er später einmal bekundet, »Böses mit Gutem vergelten«.

Die öffentliche Kritik an seiner Kirche, sie habe sich den Nationalsozialisten zu wenig entgegengestellt, trifft ihn persönlich schwer. Um diese Vorwürfe zu entkräften, bringt er 1946 sein über 800 Seiten starkes Buch »Kreuz und Hakenkreuz« heraus, das den Widerstand der katholischen Kirche dokumentieren soll. Als Anerkennung dafür verleiht ihm die Universität München 1947 die Ehrendoktorwürde. Es folgen weitere Bücher zu dieser Thematik: »Zeugen der Wahrheit und Kämpfer des Rechts« (1947), »Wie war das im KZ Dachau?« (1960), »Saat des Bösen« (1964) und schließlich »Amboß und Hammer« (1967). Die viele Arbeit läßt ihn aber nicht sein Gelübde vergessen, das er in Gestapohaft geleistet hat. Bereits 14Tage nach seiner Rückkehr in die Heimat ruft er am Petersberg bei einem Dankgottesdienst die Besucher auf, ihm dabei zu helfen, daß die verfallene Basilika wieder zu einem Zentrum des Glaubens werde. Nach großen Mühen ist dieses Ziel im Jahre 1953 erreicht: Neben der restaurierten Basilika ist mit der Katholischen Landvolkshochschule ein stattliches Haus errichtet worden, in welchem insbesondere die Landbevölkerung künftig ein weitreichendes Bildungsangebot und religiösen Halt finden soll.

Förderer des »Karmel Heilig Blut«

Neuhäusler, 1947 auf Vorschlag von Kardinal Faulhaber zum Weihbischof ernannt, stellt sich auch der immensen Aufgabe, die im Jahre 1957 auf ihn zukommt: Er soll den 37. Eucharistischen Weltkongreß in München vorbereiten. Als einstiger Dachau-Häftling will er für eine »Sühnefeier« auf dem Gelände des ehemaligen KZ eine Kapelle bauen. Mit ungezählten Bittbriefen bettelt er mehrere hunderttausend Mark zusammen und sammelt Zement und Kies. Auch diesmal gelingt es dem willensstarken Priester, seine Pläne zu verwirklichen. »Am 5. August 1960 durfte ich dann unter Teilnahme von circa 40 000 Personen, darunter mehreren Kardinälen und vielen Bischöfen, die neue Kapelle weihen und ihr den Namen 'Todesangst Christi' geben. Es war ein Höhepunkt des Eucharistischen Weltkongresses, das erste religiöse Denkmal des ehemaligen KZ Dachau, seither Jahr für Jahr eine Wallfahrtsstätte für Zehntausende aus aller Welt«, schreibt er in dankbarer Erinnerung.

Als zwei Jahre später die Priorin des Karmel St. Josef in Beuel-Pützchen bei Bonn, Maria Theresia von der gekreuzigten Liebe, anregt, auf dem KZ- Gelände ein Sühnekloster für alle im Konzentrationslager begangenen Verbrechen zu errichten, ist der Weihbischof wieder helfend zur Stelle. Nach vielen Schwierigkeiten, die er in enger Zusammenarbeit mit dem Architekten Professor Josef Wiedemann überwindet, kann er am 28. April 1963 den Grundstein legen und am 22. November 1964 den »Karmel Heilig Blut« einweihen. Für seine Verdienste ist der Weihbischof vielfach ausgezeichnet worden: Im Januar 1953 hat er von Papst Pius Xll. das »Goldkreuz des Heiligen Jahres« erhalten, 1955 folgt die Ernennung zum Domprobst des Metropolitankapitels München, 1958 empfängt er das Großkreuz des Bundesverdienstordens, 1959 den Bayerischen Verdienstorden,1961 bekommt er den Titel »Päpstlicher Thronassistent« verliehen und 1963 die Ehrenmedaille der Stadt München. Als Regionalbischof der Seelsorgeregion Nord des Erzbistums München und Freising setzt sich Neuhäusler in den letzten Lebensjahren intensiv für existenzbedrohte Klöster ein. Vom Alter geschwächt, gibt er schließlich als 85jähriger alle seine Ämter ab. Sein Vorhaben, die mehr als 60 Pfarreien zu besuchen, deren Kirchen er eingeweiht hat, kann er nicht mehr verwirklichen. Am 14. Dezember 1973 stirbt er nach schwerer Krankheit im Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern in München. Seine letzte Ruhestätte findet Johannes Neuhäusler in der Klosterkirche der Karmelitinnen in Dachau.

Dokumentation: Dietrich Mittler